Von Mark Twain stammt das Zitat: „Banken leihen dir nur Geld, wenn du beweisen kannst, dass du es nicht brauchst.“ Klingt ein wenig paradox, aber es gehört sicherlich nicht zu den absurdesten Erkenntnissen, die unser Wirtschaftssystem zu bieten hat.
01.02.2021
Wenn man hierzulande mit einer Firma eine neue Geschäftsbeziehung eingeht, ist es nicht unüblich zu überprüfen, wie dieses Unternehmen so „aufgestellt“ ist. Nachdem es in Österreich die sogenannte Publizitätspflicht für bestimmte Unternehmen gibt, ist es ein Leichtes einzusehen, wie erfolgreich das Unternehmen unterwegs ist oder wie es um die Eigentumsverhältnisse steht.
Neben meiner Movement 21 betreibe ich seit Jahrzehnten auch noch ein kleines Handelsunternehmen. 2019 war für dieses Unternehmen ein katastrophales Jahr. Entsprechend ernüchternd präsentieren sich die tiefroten Zahlen in der veröffentlichten Bilanz. Vor einigen Tagen zeichnete sich ein großer Wurf für diese Firma ab. Ein internationaler Großhändler schickte sich an, mit uns zusammenzuarbeiten. Viel Vorarbeit war schon geleistet, die Bestellungen im Haus, auf einmal kam die Notbremse. Erst nach einiger Zeit wurde klar, dass sich der potenzielle Handelspartner die Bilanzen angesehen hat und aufgrund dessen nicht mit uns zusammenarbeiten wollte. Erst nachdem wir ihn davon überzeugt hatten, dass 2019 ein schwieriges Jahr war und wir den Beweis in Form der aktuellen Ergebnisse von 2020 vorlegten, haben wir sein Vertrauen wieder zurückgewonnen und wir durften die Bestellungen dann ausliefern.
Paradoxerweise verloren wir einige Jahre zuvor einen wichtigen Handelspartner, weil genau das Gegenteil der Fall war: wir hatten ein sehr schönes Bilanzergebnis, aber das wiederrum passte unserem Kunden nicht, weil er nicht wollte, dass es uns zu gut geht.
Diese Praxis ist speziell bei großen Handelsketten seit vielen Jahren üblich. Die Industrie andererseits versucht hingegen, über spezielle Firmenkonstruktionen ihre Gewinne zu verstecken. Jetzt höre ich aber vermehrt, dass diese Unart auch zwischen einzelnen Industriepartnern Einzug gehalten hat. Manche Einkäufer im sogenannten B2B (= Business to Business) sprechen dies dann auch ganz unverhohlen an. So nach dem Motto: ihr verdient Geld, also zahlen wir euch einen niedrigeren Preis.
Aus meiner Sicht fehlt es hier nicht nur an Ethik und Empathie, sondern auch an ganz grundsätzlichem wirtschaftlichen Verständnis. Wie wir speziell jetzt gerade sehen, schadet es nicht, wenn ein Unternehmen eine solide Eigenkapitaldecke aufbaut, um auch schwierige Zeiten zu überleben. Neben dem Selbstverständnis, dass der Zweck eines Unternehmens die Selbsterhaltung und die Erwirtschaftung eines angemessenen Gewinnes ist. Denn nur so kann es auch den Erhalt von Arbeitsplätzen sicherstellen.
Mir fehlt angesichts solcher Entwicklungen irgendwie der Plan, wo man sich jetzt mit seinem Unternehmen genau ansiedeln soll. Die Elon Musks und Jeff Bezos dieser Welt hingegen sind über jeden Zweifel erhaben und werden geradezu wie die Götter unserer Zeit gehuldigt und verehrt. Wenn man also eín Vermögen angehäuft hat, das in Wirklichkeit jede Vorstellungskraft übersteigt, gilt man wieder als herausragende Persönlichkeit. Wenn es aber um einige hundert Tausend Euro geht, gilt man als Ausbeuter und Wucherer? Da versteh noch einer die Welt!
Ich denke, wir bräuchten mehr Finanz- und Wirtschaftsexperten in unserem Schulsystem. Wir sollten unseren Nachfolgern – dazu gehören auch jene, die künftig irgendwo in den Einkaufsabteilungen sitzen – klar machen, was es braucht, um ein solides Unternehmen aufzubauen. Ich jedenfalls würde mir wünschen, dass ich alles, was ich heute über Geld und Vermögen weiß, in der Schule gelernt hätte.
Business-Concierge und Charakter Trainer
Dafür wurden dann "Lieferantenkredite" erfunden. :-)
Denke davon können jetzt gerade viele Unternehmen in verschiedenen Branchen ein Lied singen: ohne Sicherheiten/Bürgschaften kein Kredit.
Die einzige Sicherheit jedes Unternehmens ist somit "ausreichendes Eigenkapital (in welcher Form auch immer)", dass es zu VERDIENEN gilt.
ad Publizitätspflicht Einzelbilanzen/Gesamtbilanz: Hier kann man natürlich auch den Zeitrahmen genüsslich ausdehnen (wenn vorteilhaft auch gegen Verwaltungsstrafe), wie es auch die ein oder andere Handelskette schon getan hat.