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Wirtschaft

Mangelware Führungskräfte

Persönlich bin ich überaus dankbar für den schlechten Führungsstil meiner früheren Vorgesetzten! Diese trieben mich sozusagen in die Selbstständigkeit und diesen Schritt habe ich niemals bereut. Aber viele meiner Freunde und Bekannten wollen nicht in die Selbstständigkeit und leiden unter ihren Chefs. Es gibt ja diesen vielzitierten Spruch: "Mitarbeiter verlassen nicht das Unternehmen, sondern ihren Vorgesetzten."

15.07.2019

Daran glaube ich auch. Ich frage mich jedoch, warum gibt es so viele Führungskräfte, die dieser Aufgabe ganz offensichtlich nicht gewachsen sind? Wie kommen diese Leute in solche Positionen? Und vor allem: wie erkennt man schlechte Führung, beispielsweise in einer übergeordneten Eigentümerrolle?

Wie gesagt hatte auch ich in meiner Zeit als Vertriebsleiter für unterschiedliche Unternehmen an Führungsdefiziten zu leiden. Unter manchen Fehlentscheidungen des Managements leiden diese Firmen heute noch. Aber ich hatte auch das unglaubliche Glück, unter einer wirklichen Führungskraft arbeiten zu dürfen. Von dieser Zeit und den Erkenntnissen daraus profitiere ich bis heute und ich bin diesem Menschen - für mich war er einer meiner Mentoren - bis heute sehr dankbar.

Was war das Besondere an ihm? Im Prinzip machte er das genaue Gegenteil von all dem, das ich bis dahin erlebt hatte. Begonnen hat es damit, dass er unglaublich wenige Stunden gearbeitet hat. Er kam meistens so gegen 9:30 Uhr ins Büro, ging pünktlich um 12 Uhr für mindestens 1 ½ Stunden Mittagessen und ab 16 Uhr suchte man ihn bereits vergebens. Aber in den wenigen Stunden arbeitete er so effizient, wie ich es vorher und auch danach kaum mehr erlebt habe. Dies ist übrigens ein Phänomen, das mir auch später in meiner Zeit als Unternehmensberater immer wieder begegnet ist. Die schlechtesten Manager arbeiten rund um die Uhr. Keiner weiß was genau, aber ihre Anwesenheit dokumentieren sie mit nächtlichen Mails und setzen damit ihre Mitarbeiter unter Druck,  ebenfalls möglichst viele Stunden zu arbeiten.

Aber zurück zu meinem Mentor: herausragendste Fähigkeit von ihm: Er hörte zu! Die Meetings mit ihm liefen immer gleich ab. Kleine Runde von Führungskräften, das Thema genau definiert, mit dem Ziel, Entscheidungen zu treffen. Man wusste bei ihm vorweg nie, welche Position er bezog. Ihm war wichtig, die Meinungen seiner Führungsleute einzuholen, über diese wurde diskutiert, Für und Wider abgewogen und erst dann bezog er Stellung. Dann wurde meist eine Entscheidung getroffen, hinter der er bedingungslos stand, auch wenn es am nächsten Tag starken Gegenwind gab. Er fiel nicht um, stand hinter seiner/unserer Entscheidung.

Zweite herausragende Fähigkeit: Er vertraute uns! Es war egal, wann und von wo aus wir unseren Job machten. Wir sollten ihn machen und zwar zügig (da war er unglaublich penetrant dahinter) und professionell. Controllingmentalität war ihm fremd, und es gab keine Anwesenheitspflicht bis spät in den Abend.

Die dritte Fähigkeit, die mir an ihm besonders imponierte: Er setzte die richtigen Prioritäten. Er ging die großen Dinge an. Er hatte klare Ziele und auch Visionen, die er offen mit uns teilte. Keine Geheimniskrämerei, sondern offene Türen,  durch die man ohne langwierige Terminabstimmungen gehen konnte. Er führte das Unternehmen höchst erfolgreich, baute es zu einem internationalen Player auf und wir durften diesen Wege mitgehen und von ihm lernen. Und was wir noch zusätzlich dabei hatten: jede Menge Spaß. Er hatte Humor und viel Empathie.

Ich frage mich, wenn heute Führungskräfte aufgebaut und eingesetzt werden, stellt man sich dann die entscheidenden Fragen? Wenn die Leute nicht zuhören können, werden sie die Potenziale der Mitarbeiter nicht heben. Ganz im Gegenteil: sie werden sie verschütten. Wenn die Führungskräfte misstrauisch sind, wird sich diese Kultur durch das ganze Unternehmen ziehen. Silodenken, Abschottung und Denunziation sind die Folgen. Eine Katastrophe für die Wertschöpfungskette!

Wenn nicht die richtigen Prioritäten erkannt werden, wird man in den Tiefen der Buchhaltung herumgrundeln. Stundenlange Meetings, in denen man das Zahlenwerk zerpflückt und immer neue Abläufe definiert, stehen an der Tagesordnung.

Wenn man die Mitarbeiter mit solche Dingen zuschaufelt, kann man auch gut das eigene Unvermögen kaschieren. Entscheidungsfreudigkeit zeichnet diesen Stil nicht aus, und wenn man alles endlos verschleppt und verkompliziert fällt dies auch nicht so leicht auf.

Ich kenne viele Unternehmen, in denen jetzt gerade ein massiver Kulturwandel einsetzt. Altgediente Manager oder die Eigentümer ziehen sich zurück und eine neue Führungsriege übernimmt das Zepter. So soll es auch sein, und den meisten Unternehmen geht es zumindest auf dem Papier sehr gut. Aber was mir dabei auffällt: viele merken, dass es nicht rund läuft. Unzufriedenheit über die Nachbesetzung und hohe Fluktuation sind die Folge.

Andererseits gibt es Unternehmen, die völlig neue Wege gehen. Hierarchielose Strukturen, mehr Eigenverantwortung oder Change Management mit erfahrenen Experten, um nur einige wenige Varianten zu nennen. Zu diesem Thema wird es auch noch Gastkommentare von Unternehmern geben, die diesen Weg bereits erfolgreich beschritten haben.

Vielerorts ist die Zeit reif, um neue Arbeitswelten zu erschaffen. Lassen Sie uns gemeinsam darüber diskutieren.

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Der Autor
Gerhard Hinterkörner

Business-Concierge und Charakter Trainer

g.hinterkoerner@movement21.at

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