Diese Woche war „Tag der Workaholics 2021“. Habt ihr ihn gefeiert? Oder war einfach zu viel zu tun?
07.07.2021
Ich jedenfalls hab gar nicht gewusst, dass es ihn gibt, und als ich davon hörte, hat er mich nachdenklich gestimmt. Seitdem ich meine Plattform betreibe bin ich sehr beschäftigt und ich hätte es mir nicht träumen lassen, dass ich in meinem Leben nochmals so viele Stunden mit Arbeit verbringe. Aber ist das überhaupt Arbeit? Wenn es nach meinen Eltern geht nicht. Aus ihrer Sicht habe ich mein ganzes Leben noch nichts gearbeitet. Sie meinen das gar nicht abwertend, aber dass ich noch nie „richtig“ gearbeitet habe, sieht man nach meiner bald 90jährigen Mutter an meinen gepflegten Händen.
Ein Mitglied der Movement 21 hat kürzlich in dieselbe Kerbe geschlagen. Nachdem ich ihm geschildert habe, welche Freude mir die diversen Projekte und Initiativen innerhalb unserer Community machen, hat er auch gemeint: „Das ist ja keine Arbeit für dich, die du da machst!“ Ja, im Grunde hat er recht damit, und trotzdem habe ich mir überlegt, wo konkret der Unterschied zu mir und einem Workaholic liegt.
Nachdem ich einige von diesen Kandidaten kenne – ich brauche nicht gendern, es ist bezeichnenderweise keine Frau dabei - bin ich relativ schnell auf den markantesten Unterschied gestoßen. Ich bin kein Perfektionist! Ich behaupte jetzt einfach, dass sich die Arbeitssucht großteils aus der Quelle des Perfektionismus nährt. Arbeitssüchtige leben für ihre Arbeit, und zwar für die Qualität und Quantität dieser. Sinn und Bedeutung stehen dabei nicht im Vordergrund.
Auch der soziale Aspekt ist nicht von zentraler Bedeutung. Ich verstehe Arbeit als einen Prozess, in dem ich mit Menschen in eine soziale Beziehung trete. Anerkennung und eine Steigerung des Selbstwertgefühls sind dabei Begleiterscheinungen.
Für den Workaholic haben soziale Kontakte, Beziehungen, ja sogar die eigene Familie kaum mehr Bedeutung. Diese zwanghafte Haltung zur Leistung und Arbeit, zieht einen Rattenschwanz an Problemen nach sich. Man teilt diese Krankheit sogar in unterschiedliche Phasen ein, an deren Ende schwere gesundheitliche Schäden stehen. Ein gesellschaftliches Paradigma, dass Erfolg als Voraussetzung für soziale Anerkennung steht, fördert diese Entwicklung maßgeblich.
Und es darf dabei kein Fehler passieren!
Tatsächlich ist aber eher so, dass erfolgreiche Menschen mehr und nicht weniger Fehler machen. Sie tun auch mehr als andere. Wenn Mitarbeiter Fehler machen, verbuchen sie diese als Ausbildungskosten. Sie sind alles andere als Perfektionisten, die nie mit ihrer Arbeit zufrieden sein können. Perfektionisten und Arbeitssüchtige sind keine angenehmen Kollegen, denn sie gehen nicht nur mit sich selber so hart ins Gericht.
Ich bin dankbar für meine Arbeit, auch wenn sie von manchen nicht als solche gesehen wird. Ich halte es eher mit einer Aussage von Dr. Gregory House: „Arbeite klug, nicht hart“!
Business-Concierge und Charakter Trainer
Finde ich interessant, deine Sichtweise, vor allem, weil ich Workaholic noch nie über Perfektionismus definiert habe.
Für mich hat die Endung -holic immer das „süchtig sein nach etwas“ bedeutet, sei das nun Alkohol, Schokolade oder Arbeit.
Und das ist es auch, was für mich eine/n (ich gendere bewusst) workaholic ausmacht: Eine Person, die nicht abschalten kann. Einer, der zwanghaft nochmal die emails checken oder beantworten muss, obwohl er schon längst beim Bier mit einem Freund sitzt. Eine, die im Urlaub Notizen für das nächste Teammeeting macht. Einer, der bei der morgendlichen Runde mit dem Hund ganz unrund wird, weil es keinen Handyempfang gibt. Eine, die bei sozialen Ereignissen und small talk mit anderen nach spätestens 5 Minuten auf die Arbeit zu sprechen kommt.
Vieles von dem was du schreibst, trifft trotzdem zu. Die Krankheitskomponente - wer mal drin steckt, kommt schwer wieder raus-, der Zwang zu Leistung und die Tatsache, dass solche workaholics oft nicht nur unangenehme Kollegen, sondern unangenehme Zeitgenossen sind.
Ganz liebe Grüße,
Ingrid