Im Zuge meiner Ausbildung zum „akademischen Sportjournalisten“ durfte ich vor einigen Jahren die Pressearbeit beim Naturbahnrodel-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen begleiten bzw. unterstützen.
Weltcup! … klingt eigentlich nach der großen Sportwelt, mit vielen Fans, vor denen die Sportler abgeschirmt werden müssen und Fernsehanstalten, die das Event in die ganze Welt hinaustransportieren, wie das beispielsweise im Ski-Weltcup, zumindest bei den Rennen in Europa, der Fall ist.
25.09.2019
Beim Naturbahn-Rodel-Weltcup in Garmisch war die Realität eine ganz andere. Rund zwei Duzend Menschen, großteils engere Verwandtschaft der Aktiven, standen durchgefroren im Zielraum. Nicht einmal warmen Tee geschweige denn sonstiges Ess- oder Trinkbares wurde zum käuflichen Erwerb angeboten, für einen Caterer wären die Verdienstmöglichkeiten wohl mehr als eingeschränkt gewesen. Ein Kamera-Team, bestehend aus einer Person, filmte für einen lokalen Sender. Davor schleppten die Sportler ihre Rodeln eigenhändig zum Start hinauf, auch Präparierung und Setup der Renngeräte war Sache der Fahrer.
Die Zeit, die die Naturbahnrodler für Trainings und für Materialtests aufwenden müssen, um erfolgreich zu sein, unterscheidet sich jedoch kaum von jener der gefeierten Helden im Ski-Weltcup. Nur die Preisgelder sind um ein Vielfaches geringer als bei „populären“ Sportarten, Sponsor-Gelder ohnehin nur im imaginären Bereich. „Marcel Hirscher alleine hat mehr Betreuer, als hier alle Teams zusammen. Wenn den ein Darmwind zwickt, stehen sofort fünf Mann bereit, um ihn zu behandeln; wir müssen mit allem alleine zurecht kommen“, sagte mir zudem ein österreichischer Fahrer nicht ohne ironischem Unterton.
Das Rennen selber war spektakulär und spannend, was das fachkundige Publikum, animiert vom Platzsprecher, der, wie mir gesagt wurde, zur Rodelfamilie gehört wie die Kufe auf den Schlitten, und einen riesen Job machte, zu Jubelstürmen hinriss. Die Atmosphäre war familiär und alle, Fans, Sportler, Sieger, nicht so schnelle Läufer, Betreuer, Presseleute usw. hatten eine Riesenfreude und feierten sich selbst und „ihr“ Weltcup-Rennen.
Trotz zahlreicher Presseaussendungen mit professionellen Fotos und Texten unmittelbar nach dem Rennen, fanden sich tags darauf in den österreichischen Zeitungen maximal einspaltige Randnotizen meist ohne Fotos über das Rennen in Garmisch-Partenkirchen, während die Berichte über so manches andere Event zu Doppelseiten aufgeblasen wurden.
Wer sind jetzt die wahren Helden? Die Skifahrer, die finanziell abgesichert, bestens bereut und von der Nation gefeiert von Rennen zu Rennen chauffiert werden. Oder die Naturbahnrodler, die sich das meiste selber organisieren müssen, als Amateure kaum Geld mit ihrem Sport verdienen, aber trotzdem für selbigen brennen und Begeisterung versprühen?
Wer entscheidet, ob eine Sportart in aller Munde ist oder nur eine Randnotiz? Warum sind beispielsweise Eisschnellläufer in den Niederlanden gefeierte Helden, während Sie in Österreich nur bei Olympischen Spielen oberhalb der Wahrnehmungsgrenze ihre Runden ziehen?
Helden werden gemacht – oder auch nicht. Leistungen, die ohne großes Aufsehen vollbracht werden, sind genauso viel wert, wie jene auf der Mainstream-Bühne. Dies sollte uns in allen Bereichen unserer Gesellschaft wieder viel mehr bewusst werden.
Kabarettist, Sprecher, Moderator, Buchautor, ärztl. geprüfter Fasten- u. Gesundheitstrainer
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