Ein Telefonat, das ich vor einigen Tagen mit einem Freund geführt habe, mag mir nicht mehr aus dem Kopf gehen. Es ging dabei um die Planung eines größeren Termins im Ausland, um ein Projekt vorzustellen. Man darf ja noch träumen bzw. planen, denn irgendwann werden solche Treffen auch wieder möglich werden. Er hat mich aber schon vorgewarnt: die Gruppe, die ich dort treffen soll, sind sehr „freiheitsliebende Menschen“, so wie er es formuliert hat. Grundsätzlich schätze ich mich auch als sehr freiheitsliebend ein, daher war ich überrascht, dass er mich so explizit vorwarnt.
Was er wirklich gemeint hat war, dass es sich dabei um Impfgegner handelt.
Soweit sind wir also schon gekommen. Man wird vorgewarnt vor vermeintlich anderen Ansichten. So etwas wie ein wertschätzender Diskurs nach dem Motto: „Ich bin dieser Meinung, du jener, lass uns darüber diskutieren“ ist ja nicht mehr möglich, wenn es um unterschiedliche Sichtweisen geht. Besser, man ist vorbereitet und kann dieses Thema vorsorglich umschiffen.
Ich habe im Übrigen mit meinem Freund nie über dieses Thema gesprochen, und insofern war ich auch ein wenig überrascht, dass er mich richtigerweise nicht zu dieser Gruppe zählt. Wobei ich zugeben muss, dass ich vor vielen Jahren ebenfalls so einen von Egoismus geprägten Charakter hatte. Und dafür geniere ich mich rückblickend sehr. Es gibt nicht viele Dinge, die mir im Rückspiegel betrachtet mehr als peinlich sind. Ich folgte damals irgendwelchen selbsternannten Experten und ehemaligen – meist unrühmlich aus der Pharmaindustrie ausgeschiedenen Leuten. Und ich glaubte nicht nur ihren haarsträubenden Schwachsinn, nein ich war auch noch völlig intolerant gegenüber jenen, die damals schon mitbekommen haben, wie sehr ich auf dem Holzweg war.
Das Schlimmste daran: auch ich hab damals diesen Egoismus mit Selbstbestimmung und Freiheit verwechselt. Das alles ist kein Ausdruck von Eigenverantwortung, sondern genau das Gegenteil, nämlich Rücksichtslosigkeit. „Ich lasse mir meine Freiheiten von der Vernunft nicht einschränken“, das ist in Wirklichkeit das Credo dieser Menschen. Es ist so absurd: je freier, sozialer, kämpferischer und trotzkindischer sich diese Gruppen formen, desto unfreier machen sie die gesamte Gesellschaft.
„Ich, ich, ich und nochmals ich“ war kürzlich als Headline in den Salzburger Nachrichten zu lesen. Es war ein Appell, von diesem kollektiven Egotrip abzurücken. Ich befürchte, dieser wird verhallen, weil diese Menschen eben nur ihre Rechte kennen. Aber dass wir als Bürger auch Pflichten haben, wird sehr gerne verdrängt. Und nein, wenn von Pflichten und Eigenverantwortung die Rede ist, dann hat das nichts zu tun mit der skandierten Corona-Diktatur, sondern es ist ein Aufruf zu einem Schulterschluss, einem kollektiven Zusammenhalt, oder zumindest einem wertschätzenden Diskurs. Diesen sollten wir uns noch ermöglichen!
Business-Concierge und Charakter Trainer
Aber wie bringen wir eine derartige Kultur in die Sozialen Medien, die in der Art, wie sie funktionieren, genau das Gegenteil bewirken? Unhinterfragt tragen sie mit ihrer Tendenz zur Blasenbildung eher dazu bei, meinen Horizont (auch Freiraum, Freiheit) einzuengen und mich in meiner immer kleiner werdenden eigenen Wahrheit umso stärker bestätigt vorzukommen. Also auch hier am Ende der Kette ein "jede/r gegen jede/n" Szenario...
Deshalb meine Kernfrage: Wie können wir die Filterblasen und Echokammern öffnen?
Wir alle haben noch viel zu wenig darüber nachgedacht, was Freiheit für uns und jeden einzelnen wirklich bedeutet. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass dieser Wertebarometer "Impfen ja oder nein" keine konstruktive Vision für die Zukunft bedeutet; auch der gesellschaftliche Schulterschluss für die Impfung wird uns die Freiheit, nach der wir uns wirklich alle sehnen, mit Sicherheit nicht bringen. Wir müssen lernen, in dieser Welt Teilnehmer zu sein und von dem Irrglauben wegkommen, dass wir alles dominieren können- weder die Gesundheit, noch die Natur und schon gar nicht den Begriff FREIHEIT....