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Gesellschaft und Wissenschaft

Ein schlechter Start

Vergangenen Samstag bin ich aufgewacht und habe beschlossen meine ersten kleinen Schritte in die Normalität zu wagen. Unspektakulär – weil ich eigentlich jeden Tag so beginne – führte mich mein erster Weg in mein Kellerverlies, wo ich mir ein kleines Fitnessstudio eingerichtet habe. Dort beginne ich den Tag auch recht gerne, weil ich mich neben der sportlichen Aktivität auch gleich im Fernsehen kundig machen kann, was sich auf der Welt so abspielt. Wie Sie sich vorstellen können, ist dieses Programm in den letzten Wochen nicht gerade abwechslungsreich. Aber nachdem es ja ein Start in eine neue Normalität sein sollte, habe ich lange nach einem Programm gesucht, in dem es nicht um Corona gehen sollte.

21.04.2020

Ich wurde bei NANO dem Wissenschaftsmagazin fündig. Ds ging um Biodiesel. Der Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie, kurz VDB genannt, fährt aktuell eine Kampagne und bewirbt darin die Vorzüge von Biodiesel als umweltschonend und verwendet dazu den Claim: „Zukunft tanken“! Jetzt muss man wissen, dass im Biodiesel mindestens 7% Palmöl Verwendung finden. Ist das nicht absolut irre! Urwaldvernichtung wird in Deutschland als die grüne Zukunftsvariante verkauft! Einige Länder in Europa haben sich längst von diesem Wahnsinn verabschiedet, aber in Deutschland will man noch eine Zeitlang daran festhalten. Bis 2030! Kein Scherz. Der zuständige Minister hat das Interview mit dem 3Sat,Team nach einigen kritischen Fragen nach acht Minuten abgebrochen. Okay, ich bin dann doch wieder auf einen der bewährten Corona-Sender umgestiegen. Man will sich ja nicht gleich in der Früh den Tag verderben.

Nach dem Frühstück machte ich mich auf den Weg zu einem befreundeten Biobauern. Unterwegs dorthin war im Radio ein Interview eines Lehrergewerkschafters zu hören, der über die Unmöglichkeit berichtete, das Schulsystem wieder hochzufahren. Aber nicht die allzu bekannten Argumente wegen Corona-Verbreitungsgefahr und so weiter wurden ins Treffen geführt, sondern – und jetzt machen Sie es sich vielleicht kurz bequem und setzen sich nieder –das Fehlen von Seife und einer neuen Hygieneverordnung, auf die man noch immer warte, sind die Hauptprobleme, an deren Lösung irgendwo in den Ministerien schon viel zu lange, wie er auch festgestellt hat, gearbeitet wird.

Ja, für so etwas habe ich Verständnis! So komplexe Lösungen wie Seifenbeschaffung und Verordnungen über Hygiene müssen natürlich von ganz oben kommen, wo würden wir denn landen, wenn wir dies selber in die Hand nehmen müssten? Wo möglich mit Eigenverantwortung und Problemlösungskompetenz? Beides natürlich völlig unerwünscht im Schulsystem!

Ich kam schon etwas gereizt beim Biobauern an. Im Shop von diesem erzählte gerade ein Kunde vor mir, er arbeite in einem großen namhaften Unternehmen – ich nenne den Namen jetzt ganz bewusst nicht, weil es sich ja auch um den dreimonatigen Durchrechnungszeitraum handeln kann – und übt seine Tätigkeit in den letzten Wochen ganz normal aus, mit dem einzigen Unterschied, dass er auch als Kurzarbeiter angemeldet ist. Sollte es sich dabei um Betrug handeln, wünsche ich mir von ganzem Herzen eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortungsträger.

Ich lese jeden Tag von den großen Chancen, die uns diese Krise auch bietet. Ein Neustart, ein radikaler Umbau der Gesellschaft mit humaneren Bedingungen. Auch ich bin überzeugt davon, dass unser Planet und unsere Gesellschaft genau das brauchen würde. Aber wie soll das funktionieren, wenn wir wieder in so eine Normalität zurückkehren? Noch vor drei Wochen hat uns unser Bundeskanzler prophezeit, dass bald jeder jemanden kennen wird, der an Covid-19 gestorben ist. Gott sei Dank ist das nicht eingetreten und im „Profil“ ist etwas ironisch zu lesen, dass es statistisch gesehen wahrscheinlicher ist, dass jeder jemanden kennen wird, der die Infektion ohne größere Beschwerden überstanden hat. Aber eines hat diese Aussage von Kurz bewirkt: eine hohe Solidarität in der Bevölkerung. Und was passiert jetzt? Das große Gerangel geht schon los! Wer bezahlt jetzt für „koste es was es wolle“? Und war es überhaupt notwendig? Ein Gesellschaftskampf ist vorprogrammiert.

Ich habe in den letzten Tagen manchmal gehört, dass es sich die Leute in ihrer Isolation ganz gut eingerichtet haben, und das eine oder andere mal war auch die Aussage dabei: „Von mir aus könnte es so weitergehen“. Das hat mich sehr erschreckt, weil ich darin eine Art Kontaktphobie erkenne, und dieses Szenario erscheint mir nicht wünschenswert. Aber eine Normalität, wie ich sie am Samstag erlebt habe, ängstigt mich ebenso.

Jean-Claude Juncker hat gesagt: „Vielleicht hilft diese Krise uns, bessere Nachbarn und bessere Europäer zu werden“. Ein schöner Gedanke. Nur er ist mit sehr viel Arbeit verbunden. Wenn wir bessere Nachbarn werden wollen, müssen wir die alten Verhaltensmuster ändern, aufzeigen wenn es gegenteilig läuft, lauter werden und uns engagieren. Und zwar ab sofort und ohne nachzulassen. Ich hoffe wir sind bereit und haben die Kraft dazu.

 

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Der Autor
Gerhard Hinterkörner

Business-Concierge und Charakter Trainer

g.hinterkoerner@movement21.at

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